Zu dem in der vorwöchentlichen Betrachtung angeschnittenen Thema "Kompromisse" lassen sich selbstredend weitere Ausführungen machen, auch gerade im Lichte der heutigen Sidra, die sich ja ebenfalls mit den Zuständen im damaligen Ägypten befasst.
Jeder Lehrer und Jugenderzieher sollte zu allen Zeiten folgendes im Auge behalten:
- Junge Menschen wollen keine Kompromisse, und halbe Wahrheiten lehnen sie ab (wenn es überhaupt so etwas wie eine "halbe Wahrheit" gibt). Deshalb hat nur jene Erziehung die besten Aussichten auf Erfolg, die ein umfassendes und nicht verzerrtes Bild des Lehr-Themas gibt. Wird aber eine Weltanschauung verwässert oder zur Hälfte, zu einem Drittel oder Viertel "zurechtgestutzt", dann lehnt das Kind so etwas gewöhnlich schon rein instinktiv ab – und dies ganz besonders, wenn es sich um die Unterweisung in Tora und Mizwot handelt.
- Kompromisse untergraben das Vertrauen: Ein Lehrer, der die Grundsätze irgendeiner Doktrin verwässert, erweckt häufig im Herzen des jungen Schülers, ob Knabe oder Mädchen, ein Gefühl des größten Misstrauens; das Kind traut dann weder dem Erzieher noch der Lehre, die er von sich gibt. Es ist einfach nicht wahr, dass – wie viele befürchten – eine umfassende, unverdünnte Erziehung junge Menschen abschreckt, weil sie dann (angeblich) Angst bekämen vor der großen Masse all dessen, was es da zu lernen und zu befolgen gibt. Das genaue Gegenteil ist wahr; es ist der Kompromiss, der unsere Jugend von uns wegtreibt.
- Kompromiss ist eigentlich nur ein anderes Wort für Nachgeben, Konzessionen machen – für ein Abweichen vom geraden Wege. Lehrer müssen einsehen, dass auch die nur geringste Abweichung von der Wahrheit bei der Kindererziehung mit einem kleinen Einschnitt in ein gepflanztes Samenkorn oder ein junges Bäumchen vergleichbar ist. Der winzigste Einschnitt kann sich da schließlich zu einem schweren und schädlichen Fehler entwickeln, wenn der Baum sein volles Wachstum erreicht hat, zu einem Auswuchs, den sich niemand vorgestellt hatte, der den ursprünglichen geringfügigen Einschnitt sah. Darin liegt das Potential zum Bösen. Was das Potential zum Guten betrifft, so sollte der Lehrer stets die allen Juden angeborene Veranlagung zum Glauben berücksichtigen, sind sie doch "Gläubige, Söhne von Gläubigen". In den Worten des "Alten Rebben", des Begründers des Chabad-Chassidismus: "Ein Jude ist weder gewillt noch fähig, sich vom G-ttlichen loszusagen."
Kompromisslose Erziehung fordert eine bedingungslose Verwerfung jeder Idee, dass "die Zeiten sich geändert haben, und wir müssen Tora und Mizwot den Zeiten anpassen". Jeder Lehrer, der an der besten Methode im Unterricht unserer Kinder interessiert ist, muss sich dauernd bewusst sein, dass dies nicht einfach bedeutet, im Lehrplan die Anzahl der zu lehrenden Vorschriften und Gebräuche oder auch die Anzahl der Religionsstunden zu vermehren. Was vor allem notwendig ist, das ist das absolute Engagement des Lehrers (der Lehrerin), dem kindlichen Herzen und Verstande die ganze Wahrheit zu vermitteln, nämlich:
- dass es nur eine Tora gibt;
- dass diese vollkommen ist, dass nichts fehlt und nichts überflüssig ist;
- dass dies seit ihrer Offenbarung so gewesen ist und für alle Zeiten so bleiben wird:
- dass diese unversehrte Tora, in ihrer Gesamtheit, die Tora der Wahrheit und die Tora des Lebens ist, fortdauernde Anleitung für unser tägliches Leben auf dieser Erde.
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