In der dieswöchigen Sidra Wajeschew lesen wir (Genesis 39, 1 ff.) über Josefs betrübliches Erlebnis mit Hause Potifars, eines hohen Beamten Pharaos, wo er als Diener beschäftigt war. Immer wieder, und mit List und Tücke, versuchte Potifars Weib, Josef zu verführen. Als all ihre Versuche vergebens waren, ergriff sie schließlich sein Obergewand, um es festzuhalten, in der irrigen Meinung, jetzt könne er ihr nicht entrinnen. Josef aber schlüpfte aus seinem Gewand, ließ es in ihrer Hand zurück und entfloh.
Es ist bezeichnend, dass auch die "modernsten" und "fortschrittlichsten" Kreise innerhalb der jüdischen Gemeinschaft es nicht fertiggebracht haben, die Jugend für sich zu gewinnen. Jede Art von gesellschaftlichen Reizen und jede Art von intellektuellem "Köder", die jüdische Organisationen zum Einsatz gebracht haben, haben versagt; sie haben nicht die Herzen der jungen Generation gewonnen, und es ist ihnen nicht gelungen, die Schleusentore vor der Entfremdung vom Judentum zu schließen, um die Flut einzudämmen. In der Episode von Potifars Weib können wir einen Schlüssel zu diesem Rätsel finden.
Was beim Juden immer wesentlich ist, das ist die spirituelle Seite, die "Neschama" (Seele). Sein Körper ist lediglich ein Gefäß, sozusagen "Kleidung" für die Seele. Allein die Neschama spiegelt die wahre, innere Persönlichkeit eines Juden. Daraus folgt notwendigerweise, dass alle Versuche, unsere Jugend mittels materieller und physischer Reize zu gewinnen, früher oder später scheitern müssen.
Da mögen die schönsten jüdischen Gemeindezentren gebaut werden, mit supermodernen Turnhallen und luxuriösen Schwimmbädern; wunderbare Bälle mögen veranstaltet werden; dynamische Redner mögen engagiert werden, um zu Themen von "jüdischer Erheblichkeit" zu sprechen. Aber all diese wohlgemeinten Bemühungen können auf die Dauer das Problem der entfremdeten jüngeren Generation nicht lösen; denn so sehr wir auch immer für die physischen Ansprüche unserer Jugend Sorge tragen wollen, um sie auf diese Weise dem "Judentum" näher zu bringen, sehen wir uns am Ende doch nur in die Situation von Potifars Weib versetzt. Wir halten ein leeres Gewand in der Hand! Was wir versäumt haben, das ist, mit der wahren Persönlichkeit der jungen Menschen eine Verbindung anzuknüpfen; es ist uns nicht gelungen, ihre wirklichen inneren Wünsche zufriedenzustellen. Es kommt vor, dass ein Patient äußerliche Symptome einer inneren Krankheit zeigt. Ein nicht sehr fähiger Arzt würde sich möglicherweise darauf konzentrieren, allein die Symptome zu heilen! Und sollten die Symptome sogar durch seine Behandlung vorübergehend erleichtert werden, bleibt dabei doch ihre eigentliche Ursache, die innere Krankheit, unberührt; im Gegenteil, diese könnte sich sogar noch verschlimmern. Ein erfahrener Arzt dagegen wird sich bemühen, die wirkliche Ursache der Symptome – also die Krankheit selbst – zu diagnostizieren; und wenn erst die Krankheit als solche behandelt wird, dann verschwinden die Symptome von selbst.
Dieses Beispiel vermittelt ein passendes Bild der gegenwärtigen Lage unserer Jugend. Ihre Ratlosigkeit, ihren Aufruhr gegen Eltern, Lehrer und die Gesellschaft ganz allgemein, ihr Abirren auf die falschen Pfade einer "Hippie-Existenz" oder des Drogengenusses: All dies sind Symptome der Krankheit. Was aber ist die Krankheit selber – nicht ihre Symptome? Die Krankheit ist der Hunger und Durst ihrer Seelen nach G-tt und nach Tora – ein Verlangen, das überhaupt nicht durch künstliche, körperliche "Reize" befriedigt werden kann, sondern nur dadurch, dass sie, mit Wärme und in wahrer Freundschaft, einem auf der Tora fußenden Leben nähergebracht werden.
So ist auch die Lehre, die uns die Chanukka-Lichter geben, diese: Ein Jude muss nicht nur Licht in seinem Hause machen (wie er es mit den Schabbatkerzen auch tut), und auch nicht nur in der Synagoge und der Jeschiwa (stellvertretend für den einstmaligen Tempel und seine Menora), sondern ihm obliegt darüber hinaus, auch "draußen" zu entzünden – seine gesellschaftlichen und geschäftlichen Verbindungen zu erleuchten. Wenn zudem die Umstände ungünstig sind (es ist draußen "dunkel"), dann genügt es nicht, ein Licht anzuzünden und es am Brennen zu halten (obgleich schon dies eine Leistung darstellt, denn auch ein kleines Licht von Tora und Mizwot vermag viel Finsternis zu verscheuchen), sondern man muss ständig die Lichter vermehren, indem man sich ständig größere Mühe gibt, das Licht von Tora und Mizwot zu verbreiten. In diesem immer weiter anwachsenden Unternehmen selbst liegt die Gewissheit eines auch stetig steigenden Erfolges begründet.
Diskutieren Sie mit