In der dieswöchigen Sidra Chaje Sara wird die Lebensgeschichte Abrahams, des ersten Juden, zu Ende geführt. Die überaus große Liebe G-ttes für Abraham und für seine Nachkommen windet sich wie ein goldener Faden durch die Schilderungen, die die Tora über unsere Stammväter gibt. In diesen Zusammenhang passt der folgende Bericht über den Baal Schem Tov und seine Lebensweise, mit der er den Juden G-ttes Liebe für uns oft vor Augen führte.
Noch bevor der Baal Schem Tov als Begründer des Chassidismus bekannt wurde, sowie auch in den ersten Jahren nach seiner Enthüllung, suchte er häufig kleine jüdische Landgemeinden auf, in deren Marktplätzen er schlichte jüdische Männer, Frauen und Kinder um sich zu scharen und ihnen Geschichten zu erzählen pflegte, größtenteils waren dies Geschichten unserer Weisen aus dem Talmud und Midrasch. Es war seine Methode, eine solche Geschichte des längeren zu erklären und dann ihr Thema einer seiner eigenen Erzählungen zugrunde zu legen, so dass ihre "Moral" sich bei seinen Zuhörern gut einprägte.
Bei einer dieser Gelegenheiten nun sprach er davon, wie wichtig und kostbar jeder Jude für G-tt und wie groß G-ttes Liebe für jeden einzelnen ist, der doch immer nur ein schwacher Sterblicher sein kann. Als eine Illustration, die – wie er wusste – seine Zuhörer genau verstehen und zu Herzen nehmen würden, bezog er sich auf einen gewissen Reb Jakov, der allen gut bekannt war, weil er in derselben Ortschaft wohnte.
Reb Jakov kannte den ganzen Talmud und seine hauptsächlichen Kommentare auswendig; und auswendig, ohne den Text vor sich zu haben, pflegte er sie zu studieren. (Dies war damals in solchen Gemeinden nichts Ungewöhnliches.) Für ein derartiges Lernen ohne Text bedarf es natürlich einer weit stärkeren Konzentration als für das Studium aus einem Buche. Eines Tages, als er wieder einmal auf diese Weise auswendig lernte, war er gerade dabei, sich auf einen schwierigen Kommentar zu konzentrieren; und da kam sein kleiner Sohn zu ihm und sagte auf kindliche Art etwas Kluges. Reb Jakov unterbrach seine Konzentration, denn er war überrascht über diese kindliche "Schlauheit", über den Scharfsinn, der aus den Worten des kleinen Jungen sprach.
Ähnlich, so fuhr der Baal Schem Tov fort, steht es mit G-tt; G-tt ist (sozusagen) mit heiligen und erhabenen Dingen beschäftigt. Doch wenn ein Jude sich mit einem Gebet oder Anliegen an Ihn wendet, dann unterbricht Er Seine G-ttliche "Beschäftigung" und widmet sich den Bitten und Wünschen Seiner Kinder.
G-ttes Liebe wird nicht durch die Schwächen Seiner Kinder beeinträchtigt. Als G-tt den Engeln verkündete, Er wolle den Menschen erschaffen, fragten sie Ihn, was für ein Geschöpf der Mensch denn sein würde. Als sie die Antwort erhielten, der Mensch würde eine sterbliche, begrenzte Kreatur aus Fleisch und Blut sein, erwiderten sie: "Was kann denn solch ein Geschöpf überhaupt nützen?"
Aber ...: Wenn der Jude früh am Morgen aufsteht, seine Tefillin anlegt und zu G-tt betet, wenn er später am Tage, obgleich in all seine geschäftlichen Sorgen verwickelt, sich von diesen abwendet, um einem anderen Juden etwas Gutes zu tun, oder ein bisschen in der Tora zu lernen ...
Dann ...: Ruft G-tt die Engel zusammen und sagt ihnen, wie stolz Er auf den Menschen ist. Er sagt: "Ihr Engel seid vergeistigte Kreaturen. Auf euch ruhen nicht solch schwere Lasten wie der Unterhalt von Frau und Kindern; ihr wisst gar nicht, was tägliche Sorgen sind; ihr braucht keine Steuern zu zahlen. Der Mensch aber trägt all diese Lasten, die Ich auf ihn gelegt habe. Er muss Frau und Kinder ernähren, er hat viele Verpflichtungen, muss Steuern zahlen und trägt das schwere Joch des Exils. Und doch – schaut hin, wie wunderbar sein tägliches Verhalten ist!"
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