Aus der dieswöchentlichen Sidra Chaje Sara entnehmen wir, dass Abrahams zwei Söhne, Isaak und Ischmael, verschiedene Wege gingen; der eine war das nächste Glied in der Kette der Stammväter des jüdischen Volkes, der andere wurde zum Ahnherr der arabischen Stämme.
Als Abraham von G-tt die Verheißung erhielt, er werde doch noch einen Sohn Isaak – zeugen, war seine Entgegnung diese: er würde zufrieden sein, wenn Ischmael auf G-ttes Wegen wandeln würde, und wenn G-ttes Versprechen, Abraham würde der Stammvater einer großen Nation sein, in Ischmael seine Erfüllung finden könnte. Es ist nicht schwer, Abrahams Gefühle zu verstehen. Ischmaels Mutter Hagar führte sich im Einklang mit den strengsten Grundsätzen von Abrahams Glauben. Außerdem hatte sie – ehedem eine Prinzessin aus dem mächtigsten Königshause jener Zeit, nämlich eine Tochter Pharaos, des Königs von Ägypten – ihrem fürstlichen Leben entsagt, um Saras Magd zu werden, nur damit sie zu Abrahams Haushalt gehören konnte. Ohne Zweifel hatte sie Ischmael in diesem Geiste aufgezogen.
Wenn man dies berücksichtigt, ist G-ttes Antwort an Abraham schwer zu verstehen, und zwar als G-tt mit großem Nachdruck darauf bestand: "Durch Isaak wird deine Nachkommenschaft bestimmt werden" (Genesis 21, 12). Die Erklärung liegt in den wesentlichen Unterschieden zwischen Isaak und Ischmael; sie waren diese:
Ischmaels Geburt war ein natürliches Ereignis gewesen, während Isaaks Geburt ein Wunder darstellte. Nach den bloßen Naturgesetzen war es bei Abrahams und Saras Alter eine Unmöglichkeit, dass sie noch ein Kind zeugen könnten. Niemand wollte glauben, dass sich so etwas ereignen könnte, und sogar Abraham selbst hielt sich eines so großen Wunders für unwürdig. Hinzu kam dann noch ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Söhnen, und zwar im Zusammenhang mit der Erfüllung des Gebotes der Beschneidung. Dreizehn Jahre ist (bei männlichen Kindern) das Alter der Reife; und so bestimmt die jüdische Tradition den 13. Geburtstag als den Zeitpunkt des Eintritts der Verantwortlichkeit; der Junge wird "Bar Mizwa", d.h. von nun an ist er verpflichtet, alle Mizwot zu beobachten. Ischmael wurde mit dreizehn Jahren beschnitten, und er ging darauf ein, seinen "Bund" mit G-tt auf der Basis der Vernunft zu schließen. Isaak hingegen wurde beschnitten, als er nur acht Tage alt war. Er konnte nicht nach seiner Ansicht befragt werden. Vernunft und Verstand waren bei ihm noch gar nicht entwickelt, und doch wurde er schon da in den "ewigen Bund" mit G-tt eingeführt.
Ischmael machte seine Lebensführung von Vernunft und Verstand abhängig. Dreizehn Jahre alt, hieß ihn seine Vernunft in den Bund mit G-tt eingehen. In späterem Alter jedoch wies ihn, der gleiche Intellekt an, sich ganz anders aufzuführen, und damit erschien es Abraham notwendig, ihn aus seinem Hause fortzuschicken. G-tt bestand darauf, dass das jüdische Volk durch Isaak gebildet werden sollte; durch denjenigen, dessen Geburt schon über den Naturgesetzen stand, und der in einen ewigen Bund im Alter von acht Tagen eingeführt wurde – als seine Vernunft "nicht mitzureden hatte". Seine Verbindung zu G-tt ging daher weit über alle Begrenzungen seines Verstandes hinaus.
Was uns das eben Gesagte zu lehren hat, ist klar: Wir können uns nicht absolut darauf verlassen, dass unsere Kinder automatisch den rechten Weg einschlagen werden, wenn sie das Alter der Vernunft erreicht haben. Nein, von frühester Jugend an muss ihnen eine gründliche und unverfälschte jüdische Erziehung und Belehrung zuteil werden. Unsere Jugend muss zu der Erkenntnis erzogen werden, dass sie zu dem ältesten der Völker gehört, das eine sehr alte Tora besitzt, das viele Jahrhunderte lang die schlimmsten Nöte und Verfolgungen durchgemacht hat, das nichtsdestotrotz fortbesteht, und dessen Fortbestehen somit nur als ein Wunder zu "begreifen" ist. Also braucht das jüdische Volk nicht mit bloßen "Naturgesetzen" zu rechnen, denn von diesen Gesetzen allein ist es nie regiert worden.
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