Das erste Wort der dieswöchigen Sidra Bereschit, das erste Wort in der Tora überhaupt ist: "Bereschit" – "Am Anfang …" Das Wort kann jedoch noch eine zweite Bedeutung haben, und zwar: "Zwei 'Erste'". Das wäre dann eine Anspielung auf die Idee, dass die ganze Welt um der zwei "Ersten" willen geschaffen worden ist, nämlich um der Tora willen (die "Erstes" genannt wird) sowie um Israels willen (dem ebenfalls das Attribut "Erstes" zuerkannt ist).
Die Juden, die demnach das Ziel und den Zweck von Bereschit in sich verkörpern, werden (I Chron. 17, 21) als die "eine Nation auf der Erde" bezeichnet. Wie es die chassidische Philosophie versteht, wird mit dieser Bezeichnung dargetan, dass es die Aufgabe des Juden ist, durch seine gesamte Lebensweise der Einheit und Einzigkeit des Einen G-ttes hier in der physischen Welt konkreten Ausdruck zu verleihen. Jeder einzelne besitzt den Schlüssel, mit dessen Hilfe diese weltweite Harmonie und Einheit verwirklicht werden kann, dadurch nämlich, dass er selbst ein harmonisches Leben führt, unter dem Einfluss von Tora und Mizwot, ein Leben, in welchem die Vernunft das Herz beherrscht, und in welchem, infolgedessen, keine Unstimmigkeit und kein Zwiespalt zwischen Verstand und Gemüt besteht.
Wenn auf solche Art Vernunft und Herz übereinstimmen, eben weil die Vernunft das Herz kontrolliert, dann lassen sich all die verschiedenartigen menschlichen Betätigungen – die körperlichen wie die geistigen – ohne jeden inneren Konflikt oder irgendwelche Erscheinungen von Unentschlossenheit oder Zögern durchführen.
Welche tragischen Folgen eine gegenteilige Situation hat, also wenn Disharmonie herrscht, zeigt sich insbesondere in der großen Verwirrung und der Unruhe, von der die heutige junge Generation (einschließlich leider einer beträchtlichen Anzahl jüdischer Jugendlicher) so sehr geplagt ist. Es besteht kein Zweifel darüber, dass der oft unverhüllte Aufruhr, die offensichtliche Revolte der Jugend gegen die elementarsten Regeln menschlicher Moral ein Ergebnis eben dieser inneren Unvereinbarkeit von Gefühlswelt und Vernunftswelt ist. Diese Disharmonie bringt einen wahrhaften Sturm von unkontrollierbaren Leidenschaften zum Ausbruch.
In unseren Tagen der Krise ist es absolut lebenswichtig, dass wir unsere Jugend dazu verhelfen, ihr geistiges und gefühlsbedingtes Equilibrium wiederzugewinnen. Der einzige Weg, um dieses Ziel zu erreichen, führt über Tora und Mizwot, durch die Harmonie und Einheit von Verstand und Gemüt, wobei das Gehirn das Herz beherrschen muss. Dann wird unsere Jugend wieder zu einem vollständigen und wesentlichen Bestandteil des "Am Echad", der "einen Nation" werden, deren hervorragende Aufgabe es ist, die Einheit und Einzigkeit in der physischen Welt zu bezeugen, der Welt also, die "am Anfang" ("Bereschit") um ihretwillen geschaffen worden ist.
Diese Zielsetzung ist auch völlig im Einklang mit einer Interpretation, die der "Alte Rebbe", der Begründer von Chabad-Lubawitsch, dem Vers in unserer Sidra gegeben hat, in dem das erste der Tora-Gebote verkündet wird (Genesis 1, 28): "Seid fruchtbar und mehrt euch." Der Rebbe erklärt dazu: "Das erste Prinzip in Tora, die elementarste Aufgabe in unserem Leben ist darin zu sehen, dass jeder Jude verpflichtet ist, einen anderen zu 'schaffen'." – Das heißt, dass jedes Mitglied unseres Volkes sich darauf zu konzentrieren hat, einen anderen (wahren) Juden zu "produzieren", vornehmlich dadurch, dass der Religionsunterricht, die Tora-Belehrung mit allen Kräften gefördert wird.
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