Mirijam erfuhr von Moses Frau, Zippora, dass er sie verlassen hatte. Sie drückte Aaron ihre Empörung darüber aus. Daraufhin steht in der Thora geschrieben: Mose ist der bescheidenste Mensch auf der Welt.1
Die Thora erzählt weiter, dass G-tt Mirijam und Aaron zurechtwies und ihnen erklärte, wie besonders die Prophetie Moses war: Doch anders ist mein Diener Mose. Angesicht zu Angesicht spreche ich mit ihm.2 (Eben deshalb musste er seine Frau verlassen, um ständig mit G-tt sprechen zu können.)
Daraus lernen wir, dass Mose wegen seiner Bescheidenheit so starke prophetische Kräfte hatte. Der Talmud führt die Bescheidenheit als eines der Eigenschaften an, die man für das Erlangen der Prophetie haben muss.3 Dort werden auch Weisheit und Stärke erwähnt. Da aber die Thora im Bezug auf Moses Prophetie nur die Bescheidenheit erwähnt, können wir davon ausgehen, dass sie die wichtigste Eigenschaft für das Erlangen der Prophetie ist.
Drei Stufen
Was bedeutet Bescheidenheit? – nicht etwa, dass man seine Besonderheiten nicht kennt. Der bescheidene Mensch ist sich seiner Fähigkeiten sehr wohl bewusst, schafft es aber dennoch, bescheiden zu bleiben. Ist das an sich kein Widerspruch?
Diesbezüglich werden drei Stufen in der Bescheidenheit genannt:4
- Der bescheidene Mensch stellt die Überlegung an, dass seine Besonderheiten ihn nicht zu Hochmut führen müssen, da sie nicht sein Verdienst sind, sondern ein Geschenk G-ttes. Und hätte G-tt sie jemand anderem gegeben, würde dieser sie vielleicht sogar besser nützen, als er.
- Diese Einstellung des Bescheidenen, dass wenn jemand anderer seine Besonderheiten bekommen hätte, sie von ihm besser ausgenützt würden, bleibt bei ihm nicht bloß eine theoretische Überlegung und eine Möglichkeit, die Dinge zu sehen. Denn da er wirklich bescheiden ist, hat er überhaupt keinen Zweifel darüber, dass jemand anderer mit seinen Besonderheiten es sicherlich besser gemacht hätte!
- Die Bescheidenheit auf der höchsten Stufe bringt den Menschen dazu, weit nach unten zu gehen und sich sogar mit den einfachsten Menschen zu beschäftigen, von denen er sicher weiß, dass sie ein sehr niedriges Niveau haben.
Eine solche Bescheidenheit finden wir bei G-tt, wie der Talmud sagt: „Bei G-ttes Größe findest du seine Bescheidenheit.“5 Diese Bescheidenheit drückt sich darin aus, dass G-tt absinkt und sich demütigt, um die niedrigen Welten zu erschaffen und über sie zu wachen.
G-ttes Botschaften
Je nach dem Grad der Bescheidenheit ist der Grad der G-ttesgegenwart bei dem Menschen.
Die Bescheidenheit auf der ersten Stufe führt zur generellen G-ttesgegenwart bei dem Menschen. Der Mensch wird reiner in seinen Gedanken und Gefühlen und lebt spiritueller. Ohne Bescheidenheit kann auf keinen Fall die G-ttesgegenwart über den Menschen ruhen.
Durch die zweite Stufe der Bescheidenheit erlangt der Mensch „Ruach HaKodesch“, d. h. er empfängt Botschaften G-ttes. Dies ist die Prophetie, von der es wiederum viele Stufen gibt.6
Diese Stufe der G-ttesgegenwart ist höher, als die generelle Stufe. Deshalb bedarf sie auch einer höheren Stufe von Bescheidenheit.
Sobald man die dritte Stufe der Bescheidenheit erreicht, ruht nicht mehr bloß die G-ttesgegenwart über den Menschen, sondern diese verbindet sich sogar mit ihm. Der Mensch ist der Gegenwart G-ttes völlig hingegeben, bis all sein Handeln den Willen G-ttes ausdrückt. Dies war bei Mose der Fall, über den es heißt: „Denn die Schechina (G-ttesgegenwart) redet aus dem Hals von Mose.“7
(Likutej Sichot, Band 38, Seite 40)
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