In der entscheidenden Nacht der letzten Plage, der Tod der Erstgeborenen, welche den Auszug aus Ägypten zur Folge hatte, sollten die Kinder Israels das Pessachopfer darbringen.1 Die Darbringung des Pessachopfers ist ein Gebot, das zur Zeit des Tempels jedes Jahr erfüllt wurde und dennoch gab es ein Detail darin, das nur beim ersten Mal in Ägypten vorkam: Jede Familie sollte sein Schaf bereits vier Tage vor seiner Darbringung zu sich nach Hause nehmen.
Raschi erklärt dazu aus dem Midrasch: „Es sprach G-tt: Es ist die Zeit gekommen, meinen Schwur an Awraham zu erfüllen, seine Kinder aus Ägypten zu erlösen, doch sie haben keine Mitzwot, um der Erlösung würdig zu sein. So sagt der Vers: Du warst nackt und bloß.2 Darauf gab ihnen G-tt zwei Mitzwot: Das Pessachopfer und die Beschneidung.“3
Warum gerade zwei?
Warum hatte G-tt es notwendig, den Kindern Israels gerade zwei Mitzwot zu geben? Um sie von dem Status Du warst nackt und bloß (von den Mitzwot) zu befreien, reichte doch bereits eine Mitzwa. Und wenn eine nicht genug war, wieso gerade zwei und nicht drei? Inwiefern geht außerdem der Midrasch auf den Unterschied zwischen dem Pessachopfer in Ägypten und dem Pessachopfer in allen anderen Generationen ein?
Diese zwei Mitzwot sollten eine Antwort auf die zwei zentralen, seelischen Probleme der Kinder Israels in Ägypten sein: Sie hatten keine Mitzwot und außerdem waren sie von dem Götzendienst durch und durch besessen. Die Beschneidung sollte das erste Problem lösen, da sie ja so gewichtig ist, wie alle Mitzwot zusammen. Und das Pessachopfer sollte die Kinder Israels von dem Götzendienst befreien.
Der richtige Umgang mit Götzen
Das Schaf galt als eine Gottheit im Alten Ägypten. Es als Oper für G-tt darzubringen, drückte mehr als alles andere die Abkehr vom Götzendienst aus. Doch die Kinder Israels waren derart besessen vom Götzendienst, dass eine einmalige Tat nicht ausreichte, um sie davon zu befreien. Deshalb mussten sie das Schaf einige Tage vor der Opferung bei sich aufbewahren. In diesen vier Tagen der Überlegung über die bevorstehende Darbringung der Gottheit Ägyptens, drang die Erkenntnis, wie falsch Götzendienst war, auch in ihrem Verstand und in ihren Herzen.
Dieser Prozess der Abkehr vom Götzendienst war nur beim Pessachopfer in Ägypten notwendig, da die Kinder Israels derart vom Götzendienst besessen waren.
Dies deutet Raschi in seinem Kommentar an:4 „Weil sie im Götzendienst versunken waren, sagte G-tt ihnen: Ziehet und nehmet euch – ziehet eure Hände vom Götzendienst weg und nehmet euch Schafe für die Mitzwa der Opferung.
Entblößte bekleiden
Die Tage vor der Erlösung aus Ägypten stehen parallel zu unserer Zeit, der Tage vor der vollkommenen Erlösung. Deshalb besteht auch heute die Notwendigkeit „die Entblößten zu bekleiden“ – jenen Mitzwot zu geben, die „nackt und bloß von den Mitzwot sind“. Dabei darf kein Jude „übersehen“ werden, denn an der vollkommenen Erlösung werden ausnahmslos alle Juden Anteil haben.
Und wie in Ägypten, müssen wir auch heute unseren Fokus auf zwei Bereiche legen. Zuallererst sollen wir so viele Juden wie möglich mit der Erfüllung praktischer Mitzwot privilegieren (unabhängig von ihrem Wissenstand in der Thora); und außerdem liegt es an uns, die „Götzen unserer Zeit“ – die weltlichen Begierden, denen die Menschen verfallen sind, zu nehmen (Ziehet und nehmet euch) und sie für den G-ttesdienst und dem Verbreiten der Thora zu benutzen. Von den Verboten der Thora muss man sich gänzlich distanzieren, doch die erlaubten, weltlichen Begierden soll man für G-tt opfern (für den Dienst an G-tt gebrauchen), so wie die Kinder Israels die Gottheit der Ägypter für G-tt geopfert haben.
Und so werden wir für die vollkommene Erlösung bereit sein.
(Likutej Sichot, Band 16, Seite 114)
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