In unserem Wochenabschnitt, welcher immer zu Simchat Thora rezitiert wird, kommt folgender grundlegender Vers vor: Die Thora hat uns Mose geboten, sie ist ein Erbe an die Gemeinde Jakows.1 Dieser Vers ist das Erste „Stück Thora“, das man einem jüdischen Kind beibringt; wie der Talmud sagt: „Sobald ein Kind sprechen kann, bringt ihm sein Vater ‚Die Thora uns Mose geboten…‘ bei.“2
Ein Kind, das beginnt die Thora zu lernen, hörte bereits von den bedeutenden Schriftwerken des Judentums, wie die Mischna, den Talmud und den Schulchan Aruch, welche von den jüdischen Gelehrten im Laufe der Generationen verfasst wurden. Wieso bringt man ihm dann bei, dass die Thora (in ihrer Gesamtheit) von Mose kommt? Die Antwort ist, weil tatsächlich Mose die Thora in ihrer Gesamtheit von G-tt erhalten hat. So sagt der Talmud: „Alles, was ein Thoragelehrter im Laufe der Generationen aus der Thora noch erlernen wird, wurde bereits Mose am Sinai übermittelt.“3
Schwer nachzuvollziehen
Der Thoraerhalt am Berg Sinai war ein einmaliges Ereignis, das sich nie wiederholen wird. Dies ist ein Grundsatz.4 Bei diesem Ereignis erhielt Mose von G-tt die Thora in ihrer Gesamtheit. Doch nicht alle Teile der Thora wurden gleich bei ihrem Erhalt offenbart. Manches davon entdeckten die Thorameister erst im Laufe der Generationen; dazu gehören alle jüdischen Schriftwerke, Auslegungen sowie eingeführte Vorschriften unserer Meister. Und Manches ist weiterhin verschlüsselt und wird erst durch den Maschiach offenbart werden. Doch all das befindet sich bereits in „der Thora, die uns Mose geboten hat“.
Mit diesem Grundsatz beginnt ein kleines jüdisches Kind sein Thorastudium, obwohl es für ein Kind schwer nachzuvollziehen ist, dass jede neue Entdeckung in der Thora bereits Mose übermittelt worden war. Normalerweise wird ein Kind zuerst in leichtverständlichen Sachverhalten unterrichtet, bis es reif genug ist, tiefgründige Sachen zu verstehen. Doch in diesem Fall ist es anders: Gleich zu Beginn seines Thorastudiums erfährt das Kind: Die Thora hat uns Mose geboten, sie ist ein Erbe an die Gemeinde Jakows.
Was ist die Thora?
Durch diese Handhabung kommt das wahre Wesen der Thora zum Ausdruck. Wäre die Thora nur eine Wissenschaft und Philosophie, gäbe es tatsächlich keinen Grund, das Thorastudium mit einem solch tiefgründigen Vers zu beginnen. Doch die Thora ist im Wesentlichen keine Wissenschaft. Das eigentliche Wesen der Thora ist G-ttlichkeit, welche weit über dem Verstand und Intellekt geht. Und dies soll einem jüdischen Kind gleich zu Beginn seiner Beschäftigung mit dem Thorastudium mitgegeben werden.
G-tt hat Sich selbst in die Thora „gesteckt“ und sagte darauf, dass indem wir die Thora studieren „wir dadurch G-tt erfassen“.5 Sobald ein Jude die Thora lernt, verbindet er sich mit G-ttes Essenz und darin gibt es keinen Unterschied zwischen einem Erwachsenen und einem kleinen Kind. Deshalb bringt man einem Kind gleich zu Beginn bei, dass die Thora, die es lernt, g-ttlich ist und sie wurde Mose gegeben und ihm als „Erbe“ weitergegeben. Denn so wie bereits ein Neugeborenes das gesamte Vermögen seiner Eltern erbet („erfasst“), „erfasst“ jeder Jude und sogar ein Kleinkind durch die Thora die Essenz G-ttes.
Freude durch Tanz
Die Erkenntnis darin, dass die Thora im Wesentlichen g-ttlich ist, erklärt auch die einzigartige Weise der Feierlichkeiten zu Simchat Thora. An diesem Tag drücken wir unsere Freude an der Thora nicht durch ihr Studium aus, indem wir Thorastunden beiwohnen, über ihre Inhalte diskutieren, sodass unsere Seele sich daran erquicke. Wir feiern Simchat Thora, indem wir die geschlossenen Thorarollen liebevoll in die Hände nehmen und mit ihnen tanzen.
Damit drücken wir aus, was die Thora wirklich ist. Wir sehen sie nicht nur als eine gewaltige Quelle des Wissens. Unsere Freude bezieht sich auf das wahre Wesen der Thora, ihrer G-ttlichkeit, welche über jeden Intellekt steht. Beim Studium der Thora gibt es Unterschiede zwischen den Menschen, doch zum wahren Wesen der Thora hat sowohl der Thoragelehrte als auch das kleine Kind denselben Bezug. Deshalb freuen sich alle zu Simchat Thora!
(Likutej Sichot, Band 7, Seite 1165)
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