Zu den Fragen, die im jüdischen Leben unserer Tage oft gestellt werden, gehören: Was ist Judentum? - und: Was ist ein Jude? Hierzu schlagen manche Leute Definitionen des Begriffes "Judentum" vor, welche ganz oder teilweise unseren Toragesetzen widersprechen. Diese Menschen behaupten, "Judentum" sei in seiner Definition nicht unbedingt von Tora und Mizwot abhängig. Obwohl sie viele von G-ttes Geboten aufgegeben haben, bestehen sie darauf, dass sie sich noch "in ihrem Judentum befinden" (Tanja I, Kap. 14; nach Talmud, Sanhedrin 44a), dass sie gar keine Fehlschritte tun; denn in ihrem System von Werten hat die aufgegebene Mizwa keine Bedeutung für ihre Art von Jüdischkeit, und deshalb - so vermeinen sie - hätten sie durch die Preisgabe von Mizwot auch nichts an ihrer jüdischen Identität eingebüsst.
Ihre Entfremdung vom authentischen Judentum kann auf ganz allmähliche Weise ansetzen, zuerst kaum merkbar. Anfänglich mag ein solcher Mensch noch bereit sein, die schriftliche und mündliche Lehre voll anzuerkennen, selbst die schwierigeren Einzelheiten der talmudischen Entscheidungen; was er ablehnt, des sind einige der von späteren rabbinischen Autoritäten auferlegten Beschränkungen. Wenn derartige spätere Auflagen ihm "logisch" erscheinen, gut und schön; wenn nicht, dann wird er sie verwerfen. Aber wohlgemerkt - damit endet nicht seine negative Einstellung zu Tora, das ist bloß der Anfang. Es kommt im allgemeinen nicht vor, dass man sich plötzlich von der Landstrasse in den Wald verirrt. Nein, erst einmal geht man nur ein wenig von der Straße herunter. Nach diesen ersten Fehltritten hält man beinahe noch dieselbe Richtung ein. Beinahe dieselbe - aber nicht ganz dieselbe. Allmählich jedoch wird der Abstand zwischen den beiden Wegen breiter, bis dann schließlich der andere, der falsche Pfad in die Wildnis führt.
Der erste Schritt von der Tora hinweg besteht in der Annahme, der Mensch sei der Meister der Tora, das heißt: was ihm gefällt, das nimmt er an, und was ihm nicht zusagt, das lehnt er ab; und doch behauptet er, dies sei totales Judentum, und nichts in seiner ablehnenden Haltung sei verkehrt. Der nächste Schritt führt dann dazu, dass er die mündliche Lehre anzweifelt; er stellt in Frage, ob diese "min HaSchamajim" ist, das heißt: vom Himmel, G-ttes Wort, oder ob sie nicht auf menschliche Erdichtung zurückgehe, während nur die schriftliche Lehre G-ttlichen Ursprunges sei. Danach geht er weiter und vertritt die Meinung, vielleicht seien nur Teile der schriftlichen Lehre G-ttlichen Ursprunges. Schliesslich kommt er dann so weit, dass er alles verwirft.
Dann sieht seine Haltung so aus: Er gibt sich nicht damit zufrieden. Mizwot zu vernachzulässigen, Mizwot nicht einzuhalten - nein, er möchte dieser seiner Einstellung auch noch Würde verleihen, indem er sie hochtönend als eine "Bewegung" bezeichnet, einen "Trend", eine "Richtung" innerhalb des Judentums, nämlich eine solche, die nur einen Teil der Tora als authentisch akzeptiert.
Der frühere Lubawitscher Rebbe sel. A. war dafür bekannt, dass er seine Worte sehr genau wählte. Bevor er darauf drang, dass man sich bemühen solle, "das Judentum zu stärken", bestand er darauf, dass man erst einmal die Tora lerne, um genau zu wissen, was das Judentum ist, und man dürfe nie das Judentum nach nichtjüdischen Begriffen definieren. Für andere ändern sich die Zeiten, und ihre Religionen ändern sich mit ihnen; eine neue Epoche in einem neuen Land mag eine neue Religion mit sich bringen. Der Jude hingegen darf dies nicht voraussetzen - nämlich dass er so wie andere, die ihren Glauben wechseln und doch ihre Nationalität und völkische Identität beibehalten, mit seiner Jüdischkeit verfahren darf; noch darf er sich ihre Methode zueigen machen, aufgrund derer jene anderen entscheiden, was wichtig und wesentlich und was veraltet ist.
Bevor man sich daher daran macht, "das Judentum zu stärken", muss man "die Tora stärken" - die Tora, für die Juden jahrtausendelang ihr Leben geopfert haben, und die sie bewahrt und von Generation zu Generation übermittelt haben, in ihrer Gesamtheit.
Zusammenfassende Übersicht:
Manche behaupten, sie hätten ihre jüdische Identität nicht aufgegeben, auch wenn sie Tora und Mizwot nicht einhalten. Man muss erst einmal richtig definieren, was "Judentum" ist.
Diskutieren Sie mit