Als Jakow mit seiner Familie auf dem Weg nach Ägypten die Ortschaft Beer Schewa erreichte, erschien ihm G-tt und sprach zu ihm: Fürchte dich nicht vor dem Hinabziehen nach Ägypten. Zu einem großen Volk werde Ich dich dort machen.

Raschi erklärt, warum G-tt ihm dieses Versprechen gab: „Es schmerzte Jakow das Heilige Land zu verlassen.“1

Jakow also fürchtete sich nicht vor dem Hinabziehen nach Ägypten; der seelische Schmerz aber Israel zu verlassen quälte ihn. Deshalb kam das Versprechen G-ttes um Jakow zu ermutigen.

Jakow wusste, dass Josef seiner Familie einen ganzen Landstrich, isoliert vom restlichen Ägypten, zur Verfügung stellte. Deshalb war er unbesorgt um schlechte Einflüsse der Ägypter auf seine Familie und sah einem Leben in Ägypten mit Zuversicht entgegen. Als er aber nach Beer Schewa kam, an die Grenzen des Heiligen Landes, verspürte er tiefes Bedauern.

Der Abstieg – für den Aufstieg

Jakow wurde schon einmal vor die Prüfung gestellt das Heilige Land zu verlassen. Zwanzig Jahre seines Lebens verweilte er in Charan; aber gerade jetzt schmerzte ihn das Verlassen Israels. Denn zu diesem Zeitpunkt betrug die Anzahl seiner Nachkommen bereits siebzig Seelen. Die Volkswerdung Israels hatte bereits begonnen. Und der geeignetste Ort für die Reifung und Vermehrung des auserwählten Volkes ist das auserwählte Land, Israel. Deshalb, gerade jetzt, empfand Jakow den tiefen Schmerz das Gelobte Land zu verlassen, wo doch seine Familie begann zum Volk Israel zu werden.

Um diese Sorge aufzuheben verspricht ihm G-tt: Fürchte dich nicht vor dem Hinabziehen nach Ägypten. Zu einem großen Volk werde Ich dich dort machen. G-tt verkündet Jakow, dass ausgerechnet in Ägypten seine Kinder zu einem großen Volk werden, denn gerade durch das Hinabziehen nach Ägypten wird aus seinen Nachkommen ein viel größeres Volk erblühen, als dies im Heiligen Land möglich wäre.

G-tt aber spricht nicht zu Jakow: „Bedauere es nicht“, sondern Fürchte dich nicht. Er stärkt nur Jakow in seinem Vertrauen, dass das Leben in Ägypten keine negativen Konsequenzen haben würde, aber seinen Schmerz nimmt Er ihm nicht. Denn das Bedauern das Heilige Land zu verlassen und in die Galut, hinabzuziehen – dieser Schmerz ist nicht zu nehmen. Und er soll vorhanden bleiben, denn er erinnert Jakow daran, wo sein tatsächliches Zuhause ist. Und dadurch, dessen immer eingedenk, hat er den Mut und die Kraft sich mit den Schwierigkeiten der Galut nicht abzufinden, sondern sie zu überwinden.

Die Erlösung fordern!

Diese Worte sind eine Lehre für alle Juden in allen Generationen, doch besonders für unsere Generation, welche unmittelbar vor dem Eintritt in die vollkommene Erlösung steht. Wir befinden uns zwar in der Galut und dadurch auch in einer physischen Galut (in einem nichtjüdischen Umfeld) und sogar einer seelischen Galut (schlechte Triebe und Eigenschaften), doch dieser Galut dürfen wir nicht demütig nachgeben, sondern müssen ihr entschlossen und furchtlos entgegentreten. G-tt legt uns Hürden und Prüfungen auf und gibt uns auch die Kraft diese zu meistern sowie auch Verführungen zu widerstehen. Gerade durch die Überwindung jener Schwierigkeiten erlangt man seine höchste menschliche und jüdische Reife.

Aber wir sollen auch ehrliches Bedauern verspüren, dass wir noch immer in der Galut verweilen. Niemals darf ein Jude mit der Galut zufrieden sein, ja nicht einmal sich damit abfinden! Es muss ihn schmerzen, dass wir uns in der Lage von „Kindern (Israel), die den Tisch ihres Vaters (G-ttes) verließen“ befinden. So wird der Zustand während der Galut vor der Erlösung bezeichnet. Dieser Schmerz aber soll nicht zur Traurigkeit und Verzweiflung führen, sondern umgekehrt – er soll den Juden erwecken und ermutigen sich mit der Galut nicht abzufinden, sondern mehr, viel mehr und schließlich „alles“ zu tun, um die vollkommene Erlösung herbeizuführen! Und schon allein dieses Bedauern der Galut und das Fordern der Ge’ula (Erlösung), und umso mehr jede Mitzwa und jede gute Tat, beschleunigen das Kommen des Maschiach!

(Likutej Sichot, Band 30, Seite 229)