Unser Wochenabschnitt beginnt mit dem tragischen Tod der zwei Söhne Arons, Nadaw und Awijhu, welche vor G-tt ein „fremdes“ Opfer darbrachten und deshalb starben.
Unseren Gelehrten zufolge1 waren Nadaw und Awijhu sehr große Zadikim, welche eine sehr hohe geistige Stufe erreicht hatten, sodass sogar Mose seinen Bruder Aron mit den Worten tröstete: „Ich erkenne, dass sie größer waren als du und ich.“ Laut der Lehre der Chassidut2 bestand ihr Vergehen darin, dass Nadaw und Awijhu eine zu große Nähe zu G-tt erlangten und ihr irdischer Körper dieses g-ttliche Licht nicht ertrug. Durch ihr Handeln übertraten sie den Willen G-ttes, Der ja ausgerechnet die Seele in unserer Welt haben will, damit sie mit dem irdischen Körper die Welt mittels der Mitzwot heilige.
Die Söhne Arons symbolisieren eine Hingabe an G-tt, welche in Seinen Augen nicht wohlgefällig ist. Obwohl sie sich nach der Nähe G-ttes so sehr sehnten und sogar bereit waren dafür zu sterben – doch wenn dieses Streben gegen den Sinn des Menschen auf Erden verstößt, gilt diese Absicht als ein klares Vergehen!
Tiefmystische Konzepte
Der Talmud erzählt3 von vier großen Zadikim, die den Pardes betraten. Für drei von ihnen hatte dieses Betreten ein tragisches Ende (einer wandte sich vom Judentum völlig ab, der andere trug geistige Schäden davon, und der dritte starb). Das Betreten des Pardes ist der Versuch auf hohe geistige Ebenen zu steigen und dadurch in eine unvorstellbare G-ttesnähe zu treten. Es handelt sich hierbei um eine Wahrnehmung der g-ttlichen Gegenwart durch das Erforschen tiefmystischer Konzepte. Ben-Asaj, der bei diesem Versuch starb, erlitt dasselbe Schicksal wie die Söhne Arons. Bei seiner großen Sehnsucht G-tt wahrzunehmen überschritt er seine eigenen Grenzen und starb.
Der gelungene Eintritt
Der vierte aber, Rabbi Akiwa, so erzählt der Talmud, „betrat den Pardes in Frieden und verließ ihn in Frieden“. Jeder der vier betrat den Pardes in Frieden, doch der Talmud will uns damit Folgendes deuten: Der Eintritt in den Pardes ist es, welcher den Ausgang entscheidet. Als Rabbi Akiwa den Pardes betrat, tat er dies nur aus einem einzigen Grund – um den Willen G-ttes zu erfüllen! Und da dies seine entschlossene Absicht beim Eintritt in die geistigen Ebenen war, wusste er, als es darauf ankam, welche Barrieren er nicht überschreiten durfte. Für ihn war der Wille G-ttes entscheidend, und deshalb widerstand er jeglicher Versuchung einer bereits riskanten G-ttesnähe. Er verzichtete auf seine große Sehnsucht und gab sich selbstlos dem Willen G-ttes hin. Nicht so die anderen drei. Obwohl ja nur G-ttes Nähe suchend, taten sie dies auf Kosten ihrer Aufgabe auf Erden.
Kein „Ich“
Aber es gibt eine noch höhere Stufe von Hingabe an und Selbstlosigkeit gegenüber G-tt, und zwar die unseres Erzvaters Awraham. Rabbi Akiwa strebte nur nach dem g-ttlichen Willen, doch eine „Begierde“ brannte in ihm, nämlich die „Heiligung Seines g-ttlichen Namens in unserer Welt“. Und dafür war er sogar bereit zu sterben. Von den Römern für seinen Glauben zu Tode gefoltert, sprach er zu seinen Schülern mit seinen letzten Atemzügen: „Mein ganzes Leben quälte ich mich, wann dieser Moment doch endlich komme und ich Seinen Namen in aller Welt heiligen könnte!“4
Doch Awraham strebte auch nicht danach. Ihn interessierten keine Privilegien und Verdienste. Sein Leben war der Eine G-tt, und diese Botschaft wollte er allen Menschen auf Erden verkünden. Wenn dies Selbstaufopferung bedeutete, war er dazu bereit, aber nur weil die Lage es forderte und nicht des Strebens nach Überwindung dieser großen Prüfung wegen.
Die Ansichten Awrahams können uns eine Lehre sein. G-tt fordert von dem Juden nicht wortwörtliche Selbstaufopferung. Aber es soll ihm bewusst sein, aus welchem Grund er G-ttes Willen erfüllt. Nicht des Verdienstes wegen und nicht einmal um G-tt näher zu stehen, sondern einzig und allein, weil dies Sein Wille ist!
(Likutej Sichot, Band 3, Seite 988)
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