Die G-ttesoffenbarung am Berg Sinai – das größte und monumentalste Ereignis der Weltgeschichte, der erste, allen kundgemachte Kontakt zwischen G-tt und dem Volk Israel – ist das Hauptthema unseres Wochenabschnitts.
Erstaunlicherweise aber finden wir davon nicht einmal den kleinsten Hinweis in der Schlagzeile der wöchentlichen Thoralesung – ihrem Namen. Bekanntlich deutet der Name des Wochenabschnitts auf seinen wesentlichsten Inhalt, welcher in unserem Fall ja die G-ttesoffenbarung am Sinai ist. Wie wird er aber tatsächlich betitelt? – „Jitro“, nach dem einstigen Götzenanbeter und Schwiegervater Moses, welcher wohl kaum mit der Offenbarung am Sinai zu tun hat!
In der jüdischen Mystik aber stoßen wir auf Erstaunliches: Es gibt sehr wohl eine Verbindung zwischen Jitro und Israels Erhalten der Thora am Sinai. Und so sehr ist eines vom anderen abhängig, dass ohne Jitros Erkenntnis G-ttes die Offenbarung am Sinai nicht stattfinden hätte können! Der Sohar erklärt: Nur nachdem Jitro es eingesehen hatte – „Nun weiß ich, dass G-tt über allen Göttern steht“ – „konnte“ sich G-tt dem Volk Israel offenbaren und ihm Seine Thora übergeben.1
Doktorat im Götzendienst
In unserem Wochenabschnitt wird Jitro als der „Priester Midijans“ bezeichnet. Der Midrasch erklärt darauf2, dass Jitro ein Priester des Götzendienstes war, und nicht nur irgendein Priester, sondern er kannte alle Götzen der Welt, denn er verehrte jeden von ihnen. Jitro also verkörpert die „gewaltige Kraft“ des Götzentums, die in jenen Tagen über die ganze Welt herrschte.
Sobald nun ein Mensch wie Jitro mit dem Titel „Doktor des praktischen Götzendiensts“ G-tt über alle Götter stellt und Ihn als den Einzigen G-tt ansieht, wird aller Welt offenbar, dass die Kraft der g-ttlichen Wahrheit selbst die schwierigsten Barrieren überwindet, wenn die „Dunkelheit“ selbst sich in „Licht“ verwandelt. Dies bildete die Vorbereitung für das Erhalten der Thora, und deshalb konnte sie dem jüdischen Volk nicht übergeben werden, bis Jitro kam und G-tt als wahren G-tt anerkannte.
Sinn der Thora
Die Annäherung Jitros an den Einen G-tt verdeutlicht somit den wahren Sinn des Erhaltens der Thora. Die Thora existierte schon lange, bevor noch der erste Mensch auf Erden wandelte. Im Sohar steht geschrieben3, dass G-tt in die Thora blickte, um die Welt zu erschaffen. Die Erzväter Awraham, Itzchak und Jakow beschäftigten sich mit ihr, und auch in Ägypten wurde die Thoralehre von Generation zu Generation überliefert. Was also war so besonders an der Übergabe der Thora am Sinai?
Bei der Offenbarung am Berg Sinai wurde dem Volk Israel die Kraft gegeben durch die Thora die „Genetik der Welt“ zu verändern, indem das Profane an sich an G-tt gebunden und damit heilig werden kann! Die Vorstufe dafür war die Annäherung Jitros. Als jener, der wahrhaftig geistige Finsternis verkörpert, nicht nur der Götzenwelt den Rücken kehrte, sondern auch den Glauben an den Einen G-tt annahm, wurde der Weg bereitet um die g-ttliche Wahrheit in unsere Welt, und zwar in all ihre Bereiche, zu bringen. Deshalb trägt unser Wochenabschnitt den Namen „Jitro“, denn tatsächlich verkörpert Jitro den eigentlichen Sinn der G-ttesoffenbarung am Sinai.
Der alltägliche G-tt
Die Thora kann nur dann wirklich empfangen werden, wenn sie der „Erkenntnis Jitros“ folgt – der Erhebung der Welt in die G-ttlichkeit. An dem Juden liegt es alle Bereiche seines Lebens mit G-tt in Einklang zu bringen. Nur so kann er einwandfreier Empfänger für das Licht der Thora sein.
Praktisch gesehen heißt das: G-tt befindet sich nicht nur in der Synagoge, oder ist gegenwärtig wenn man mit Geboten zu tun hat. Auch die alltäglichen, profanen Dinge sollen an einen höheren, g-ttlichen Sinn gebunden werden. Denn die g-ttliche Wahrheit befindet sich auch darin. Deshalb sollen unsere Taten einzig und allein darauf ausgerichtet sein das Gute (das G-ttliche) auf der Welt zu fördern und aufzudecken. Damit begann man mit dem Erhalten der Thora am Sinai, und die Vollendung erreichen wir zur vollkommenen Erlösung, sofort in unseren Tagen!
(Likutej Sichot, Band 31, Seite 85)
Diskutieren Sie mit