Nach über vierzig Jahren der treuen Führung über das Volk Israel war es nun für den großen Propheten Mose an der Zeit die Führung einem anderen zu übergeben und in den Himmel aufzusteigen. Zu Simchat Thora rezitieren wir den letzten Wochenabschnitt der Fünf Bücher Mose, welcher mit dem Tod Moses endet.
Es ist doch eigenartig, dass wir gerade zu Simchat Thora, dem Fest der großen Freude, welche so besonders ist, dass sie auf das ganze Jahr einwirkt, von einem solch traurigen Ereignis erfahren. Wie unsinnig die Verknüpfung von dem Tod Moses und der Freude über die Thora scheint – dennoch, etwas muss dahinter stecken!
Die Auseinandersetzung
Tatsächlich besteht tiefer betrachtet nicht nur kein Widerspruch zwischen dem Tod Moses und Simchat Thora, sondern in unserem Wochenabschnitt spiegelt sich sogar der Sinn dieses Feiertags wider.
Mit Simchat Thora endet der Monat der Feiertage. Nun beginnt das winterliche Jahr, eine Zeit, in der eine gewisse Zurückhaltung des g-ttlichen Einflusses besteht (auf unserer Welt drückt sich das mit Kälte und längeren Nächten aus). Simchat Thora wird auch Schmini Atzeret (“Anhalt”) genannt, denn er hält uns noch einmal an um uns das ganze Paket der Feiertage von Tischrej – die G-ttlichkeit, Wärme, Freude, Nächstenliebe usw. – mitzugeben, vor unserem Aufbruch in die spirituelle Finsternis!
So bildet Simchat Thora eine spirituelle Lebensquelle für den Alltag danach. Im Monat Tischrej „jüdisch gut drauf zu sein“ wundert niemanden. Wer bekommt keine Gänsehaut am Tag des Gerichts, und bei wem bewirkt Jom Kippur nicht wenigstens einen Funken von Tschuwa? Und die Sukkot-Partys mit Musik, Trank und Speise bringen auch jeden in Schwung. Die Herausforderung beginnt erst nach den Feiertagen, nämlich den Zustand des „jüdisch gut drauf sein“ in die kommenden Monate einzuschleusen! Darin liegt der Sinn von Simchat Thora!
Es geht auch ohne Wunder!
Aus diesem Grund liest man gerade zu Simchat Thora über den Tod Moses. Zu seinen Lebzeiten verdankte das jüdische Volk sein Überleben voll und ganz den Wundern g-ttlicher Offenbarungen in extremem Ausmaß. Von den Zehn Plagen bis zum Himmelsbrot, ja selbst den „wandelnden Brunnen“ und die schützenden Wolken, welche Mirijam und Aron zugeschrieben werden – all dies bewirkte Mose.
Nach seinem Tod aber nahmen diese alltäglichen Wunder ihr Ende. Es begann eine Zeit der Verhüllung g-ttlicher Offenbarung. Und in so einem Zustand, wo die g-ttliche Hand verborgen bleibt, fällt es viel schwerer einen starken, unberührten Glauben zu bewahren. Das Vertrauen in G-tt kann geschwächt werden.
Angsthase?
Doch gerade in einer solchen Zeit, wenn der Mensch alleine der großen Dunkelheit der Welt gegenübersteht, muss er wissen: man darf sich nicht einschüchtern lassen! Es gibt nichts zu befürchten, denn G-tt hütet ihn und gibt ihm die nötigen Kräfte alle Schwierigkeiten zu überwinden! Und so sprach G-tt zu Joschua nach dem Tod Moses:1 Sei stark und tapfer – lass dich durch die spirituelle Dunkelheit nicht abschrecken, sondern beleuchte sie mit G-ttlichkeit, Freude und Mitzwot. Bringe in sie das große Licht Moses!
Das ist der Zusammenhang vom Tod Moses und Simchat Thora. Beide sind Energiespender in einer „vernebelten“ Zeit, um jüdisch “so richtig gut drauf” zu bleiben und gerade in ihr das große Licht zu entdecken – die Ankunft des Maschiach!
(Aus Sichat Lejl Simchat Thora des Jahres 5715)
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