In den Tagen zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur – den Zehn Bußtagen – steht auf dem jüdischen Programm nur ein Thema: die Tschuwa. Jeder, der schon über irgendetwas Tschuwa getan hat, kann bestätigen, was das für ein mieses Gefühl ist Fehler zuzugeben, und sie zu bereuen erfordert Mut, aber noch mehr jenes Schandgefühl zu überwinden. Und wenn wir von der Tschuwa sprechen, der Rückkehr zu G-tt, so ist doch dieses Schandgefühl unendlich groß. Die Tschuwa also ist nicht gerade ein freudiges Unternehmen – bis zu jenem besonderen Tag, der sich Schabbat Schuwa nennt, diesem Schabbat!

Als Teil der Zehn Bußtage, an denen die Tschuwa am Effektivsten ist, verkörpert dieser Schabbat den Höhepunkt der Tschuwa-Aufnahme. Denn der Schabbat bildet zugleich die Vollkommenheit der Tage vor ihm, sowie die Lebensquelle der Tage nach ihm. Andererseits aber verkörpert der Schabbat pure Freude und sinnvollen Genuss. Zu Schabbat Schuwa also gehen diese beiden Aspekte eine Bindung ein.

Alles in Einem

Von dieser Verschmelzung der Gegensätze erfahren wir auch in unserer Thoralesung. „Wajelech“ bedeutet „Fortschreiten“. Den bisherigen „Platz“ zu verlassen und fortzuschreiten ist das Wesen der Tschuwa auf einen Punkt gebracht. Rambam beschreibt den Baal Tschuwa1 als einen neugeborenen Menschen, „einen anderen und nicht jenen Menschen, der diese Taten begangen hat“.2

Andererseits aber lernen wir zu Ende unseres Wochenabschnitts von der Fertigstellung der ersten Thorarolle durch Mose und ihrer Übergabe an die Priester und Lewiten, was sicherlich mit großer Freude verbunden war, wie es bis heute beim Erhalten einer neuen Thorarolle jüdischer Brauch ist. „Wajelech“ also symbolisiert auch größte Freude.

Im Widerspruch?

Aber wie können diese zwei widersprüchlichen Gefühlsstimmungen zueinander finden? Die Tschuwa, in der der Mensch ungute Taten bereut, bewirkt automatisch das Gefühl der Traurigkeit und Bitternis. Wie also kann in demselben Moment größte Freude empfunden werden?

Die Antwort ist, dass gerade die Tschuwa, und besonders zu Schabbat Schuwa, von Freude erfüllt sein muss! Schon allein deswegen, weil sie Teil der Gebote G-ttes ist, und an der Erfüllung jedes Gebots sollen wir uns erfreuen!3 Aber eine viel größere Freude bringt das Gebot der Tschuwa, da durch sie letzten Endes Vollkommenheit in allen Geboten erlangt wird!4

Endlich Zuhause!

Der Alter Rebbe vergleicht5 in seinem Buch Tanja den Tschuwa übenden Juden mit einem gefangenen Königssohn, der die Freiheit erlangte und nun zu seinem Vater, dem König, zurückkehrt. Die große Freude bei der langersehnten Begegnung kann nur einen Bruchteil der Glückseligkeit des Juden bei seiner Rückkehr zu G-tt ausdrücken!

Das ist das Wesen von diesem Schabbat: Das Begehen der Tschuwa an diesem Tag katapultiert den Menschen in eine solche G-ttesnähe, welche bei ihm nur die größte und sinnlichste Freude auslösen kann! Und von dieser Freude kommen wir zur vollkommenen Freude bei der endgültigen Erlösung sofort in unseren Tagen!

Mögen wir alle in ein Jahr der Freude, Glückseligkeit, Gesundheit und des Friedens eingeschrieben werden! Ein Jahr der Zusammenkunft, des spirituellen Aufstiegs und Erfolgs im Materiellen. Möge der Segen G-ttes im nächsten Jahr auf uns wirken, und zwar Sein größter Segen – die vollkommene Erlösung!

(Sefer haSichot, Jahrgang 5749, Band 1, Seite 4)