Was tut man mit einem Menschen, der durch die Berührung mit einem Toten verunreinigt wurde? Obwohl wir schon auf kuriose Gebote in der Thora gestoßen sind, meine ich, liebe Leser, könnten Sie niemals erraten, mit welchen Mitteln die Thora uns gebietet einen Unreinen zu heilen.
Das Heilmittel nennt sich – die Asche einer Roten Kuh! Das heißt, um einen Verunreinigten zu heilen, muss man eine Kuh, und ausgerechnet eine rote, auftreiben, sie verbrennen und ihre Asche auf den Unreinen streuen. Aber das ist noch nicht alles: Die Asche der Roten Kuh reinigt die Unreinen, aber gleichzeitig verunreinigt sie jene, welche die Asche herstellten und durch sie andere reinigen. Haben Sie schon einmal etwas derartig Unlogisches gehört? Abgesehen von dem Heilmittel „Rote Kuh“ selbst, wie kann ein und dieselbe Asche einerseits reinigen und gleichzeitig verunreinigen?
Tatsächlich steht das Gebot über die Rote Kuh an der Spitze der Chukim, jener Mitzwot, die über den menschlichen Verstand gehen. Selbst der weise König Salomo, welcher die mystische Tiefe aller Gebote erforschte, konnte das Geheimnis der Roten Kuh nicht enthüllen. „Alle Gebote konnte ich begreifen, aber die Mitzwa der Roten Kuh erforschte, suchte und „durchstöberte“ ich und kam zum Entschluss, dass ihr Geheimnis mir weit entfernt liegt“, sprach er.1 Denn das Gebot über die Rote Kuh geht in seinem eigentlichen Wesen weit über das menschliche Verständnis hinaus.
„Die Andere Seite“
Was König Salomo nicht begriff, werden auch wir nicht begreifen können. Zwar bleibt uns das Wesen dieser Mitzwa verhüllt, aber den Grund, weshalb gerade dieses Gebot so unbegreiflich ist, können wir doch erfassen.
Die Rote Kuh reinigt von der Unreinheit des Toten. Tod symbolisiert die „andere Seite“ (ein Ausdruck für das Böse), und deshalb gilt die Unreinheit, welche der Tod mit sich bringt, als „Urvater aller Unreinheiten“. Heiligkeit bedeutet aber Leben – ihr aber, die an G-tt hängt, seid am Leben.2 Der Tod jedoch, die Folge der Sünde des ersten Menschen, bedeutet Verderben und drückt die Trennung von allem Heiligen aus. So grob ist die Unreinheit des Todes, dass selbst der große Prophet Mose sich nicht vorstellen konnte, dass es für sie irgendein Heilmittel gäbe. G-tt offenbarte ihm die Kraft der Roten Kuh, mit deren Asche selbst diese Unreinheit vertrieben werden konnte.
Überirdisch
Die Lehre der Chassidut erklärt3, dass das innere Wesen des Gebots über die Rote Kuh die Ausstrahlung eines überirdischen, g-ttlichen Lichtes, vom unendlichen G-tt selbst, ist. Da mit den Kräften, die G-tt in der Welt festsetzte, die Unreinheit durch den Tod nicht geheilt werden kann, bedarf es einer höheren Kraft, von G-tt selbst, Der über jenen irdischen Kräften steht.
Die Offenbarung jenes g-ttlichen Lichtes bewirkt die Mitzwa der Roten Kuh. Denn die Tatsache der Unbegreiflichkeit dieses Gebots zeigt nur, welche große Heiligkeit in dieser Mitzwa steckt, sodass sie mit keinen uns bekannten Mitteln erfasst werden kann!
Zweifache Botschaft
Die Rote Kuh lehrt uns zweierlei:
Auf dem Gebiet zwischen Mensch und G-tt erfahren wir, dass wir auf dieselbe Art, wie dieses Gebot gehandhabt wird (wegen seiner völligen Unbegreiflichkeit, erfüllt man es nur aus einem einzigen Grund: weil G-tt es gesagt hat), jedes der Gebote zu erfüllen haben, nur weil es der Wille G-ttes ist!
Was unsere zwischenmenschlichen Beziehungen angeht, lehrt uns die Rote Kuh, dass man den Nächsten von „der Unreinheit des Todes“ auch dann zu reinigen hat, wenn man dabei selbst verunreinigt wird. Dieses Prinzip passt nicht immer zu unseren Ansichten: „Warum soll ich für einen anderen meine Hände dreckig machen?“ Die Thora lehrt uns aber, dass wir mit eben dieser Selbstaufopferung unserem Nächsten beistehen müssen. Und durch ein solches Handeln, auch wenn es manchmal über das Verständnis geht, bindet sich der Jude an den unbegreiflichen G-tt, Der weit über allen Welten steht!
(Likutej Sichot, Band 4, Seite 1056)
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