Lieber Leser,

Sinn und Bedeutung der augenblicklichen Zeitspanne des "Omerzählens" lassen sich durch die folgenden Überlegungen erhellen:

Pessach ist bekanntlich das Fest, an dem wir die Befreiung aus Ägypten feiern, am Schawuot-Feste gedenken wir der Entgegennahme der Tora am Berge Sinai. Zwischen diesen beiden Festen liegen 49 Tage; und diese entsprechen den sieben Wochen, die es dauerte, bis die Israeliten Ägypten verlassen hatten, den Sinai erreichten und sich auf die Verkündung der Tora vorbereiten konnten. Während dieser Zeitspanne nun zählen wir die Tage – ganz analog der Handlungsweise der Israeliten damals, die (wie die Tradition uns berichtet) in ungeduldiger Erwartung der Offenbang der Tora jeden Tag zählten.

Für sie war, immerhin, eine gewisse Vorbereitungszeit unerlässlich; denn unmittelbar vor ihrem Auszuge aus Ägypten befanden sie sich in einem Zustand von sklavischer Unterdrückung, der in seiner erniedrigenden Form seinesgleichen suchte. Jeder, der mit den Zuständen im alten Ägypten einigermaßen vertraut ist, kann bestätigen, wie sittlich verderbt die ganze Lebensweise der Bewohner dieses Landes in jenen Tagen war. Gegen den verheerenden Einfluss einer solchen Umgebung war der Charakter der unterdrückten Hebräer nicht immer immun geblieben. Nichtsdestoweniger waren diese vorherigen Sklaven im Verlaufe von nur 50 Tagen in der Lage, das höchstmögliche Niveau von Vergeistigung zu erreichen, so dass sie würdig befunden wurden, bei G-ttes Enthüllung am Berge Sinai persönlich zugegen zu sein.

Schabbat Schalom