Lieber Leser,
Unsere Weisen im Talmud (Schabbat 21b) beschreiben das Wunder von Chanukka folgendermaßen: Als die Griechen das Heilige Land besetzt hielten, drangen sie in das Hechal (das innere Heiligtum des Tempels) ein und entweihten all das dort vorhandene Öl. Nach dem Sieg der Hasmonäer fanden diese nur ein einziges Krügchen Öl vor, das anscheinend nicht angerührt worden war. Es enthielt eine Quantität Öl, die nur für einen Tag ausreichte. Damit wurde die Menora wieder angezündet – und ein Wunder geschah, indem das Öl acht Tage lang anhielt, bis neues, reines Öl hergestellt werden konnte.
Aus dieser Talmudstelle lässt sich deutliche entnehmen, dass die Entweihung des Öls kein Zufall sondern absichtlich und systematisch durchgeführt worden war. Dazu drängt sich sofort eine Frage auf: Wenn es die Absicht der Griechen tatsächlich war, das Licht der Menora auszulöschen und ihr Wiederanzünden zu verhindern, warum beschränkten sie sich dann darauf, das Öl nur zu entweihen? Sie hätten ihr Ziel doch viel wirksamer erreicht, wenn sie es aufgebraucht oder aber es völlig zerstört hätten.
Unsere Weisen haben uns hier die wahre Absicht der Griechen angezeigt. Die bestand nämlich gar nicht darin, das Wiederanzünden der Menora überhaupt zu verhindern; sondern sie wollten, dass diese mit entweihtem Öl angezündet werden sollte. Daher ließen sie mit voller Absicht eine Quantität von entweihtem Öl im Heiligtum zurück, damit es gleich für diesen Zweck zur Verfügung stünde. Hierin liegt der tiefere Aspekt wie auch die "Botschaft" von Chanukka.
Die Griechen waren wohl gewillt, die Tora anzuerkennen und sie sogar zu akzeptieren, aber nur als ein schönes, ästhetisches Werk der Literatur, ein Werk von Poesie, Weisheit, Philosophie etc., vorausgesetzt dass sie als von Menschen geschaffen angesehen wurde. In diesem Lichte gesehen, konnte die Tora – nein, sollte sie – von Zeit zu Zeit verändert und abgeändert werden, um sie so mit den Bestrebungen der herrschenden Schichten, den neuen Ideen und dem "Zeitgeist" in Einklang zu bringen; damit würde gleichzeitig natürlich die Beständigkeit und die Unveränderlichkeit der religiösen Satzungen – wie Schabbat, Beschneidung usw. – in Frage gestellt und beseitigt werden. Somit waren sie nicht darauf bedacht, die Tora ganz zu unterdrücken, sondern vielmehr ihre Stellung als das von G-tt gegebene Wort, als G-ttes Tora, anzugreifen.
Chanukka Sameach und Schabbat Schalom